Interview mit Sandra Haase, stv. Leiterin der Akkreditierten Prüfstelle und Expertin für textilphysikalische Prüfungen
Recycelte Materialien gewinnen auch in der Textilindustrie weiter an Bedeutung. Kann man eine allgemeine Aussage treffen, welchen Einfluss dies auf die Qualität von Textilien hat?
Sandra Haase: Verallgemeinern kann man dies nicht. Welche Qualität gewünscht ist, hängt immer vom späteren Einsatzzweck ab.
Soll daraus wieder Bekleidung hergestellt werden, ist die Faserlänge von großer Wichtigkeit. Werden Textilien recycelt verändert dies die ursprünglich eingesetzte Faserlänge. Durch mechanisches Recycling verkürzen sich Fasern, was auf die späteren Einsatzzwecke immensen Einfluss hat. Werden diese Fasern zu Garnen verarbeitet, sinkt die Festigkeit der Fäden, da die Haftung von Kurzfasern untereinander deutlich geringer ist als bei längeren Fasern. Dem kann man dann mit einer höheren Drehung entgegen wirken, was den Faden jedoch etwas steifer macht.
Viele Kurzfasern führen oftmals auch zu vielen abstehenden Faserenden, was die hergestellte Oberfläche aufgeraut erscheinen lässt. Dies hat einen hohen Einfluss auf die gefühlte Rauigkeit. Dabei können samtartige Oberflächen als angenehmer empfunden werden. Hier fehlen aber noch direkte Vergleiche.
Wird das Recyclinggut jedoch als Füllmaterial oder Malervlies eingesetzt, wie es heute bereits der Fall ist, dann ist die Faserlänge kaum von Bedeutung.
Lässt sich mithilfe von textilphysikalischen Prüfungen feststellen, ob ein Textilprodukt wahrscheinlich recycelte Fasern enthält? Mit welcher Sicherheit lässt sich das bestimmen?
Sandra Haase: Genau sagen kann man das leider nicht, zumindest noch nicht.
Selbst die eben erwähnten kurzstapeligen Fasern müssen nicht zwangsläufig aus recycelten Materialien bestehen. Kurze Fasern werden auch heute schon eingesetzt, da sie einfach billiger sind. Langsstapelige Baumwolle zum Beispiel ist qualitativ hochwertiger aber eben auch teurer als kurze Fasern.
Mikroskopische Aufnahmen können einen Hinweis geben. Durch mechanisches Recycling kommt es oft zu mechanischen Schäden an den Fasern, die in der ursprünglichen Herstellung nicht auftreten sollten. Diese Schäden führen zu einer Schwächung der Fasern und können so am Ende die Festigkeit der Fläche herabsetzen.
Diese Prüfung eignet sich, um im Einkauf etwa bei der Zusammenarbeit mit neuen Lieferanten die Qualität hochwertiger Textilprodukte zu überprüfen, bevor diese weiterverkauft oder genutzt werden.
Inwieweit ist es umgekehrt auch möglich zu überprüfen, ob ein Produkt auch wirklich aus 100 % recycelten Textilfasern besteht, wenn dies im Sinne der Nachhaltigkeit so angepriesen wird?
Sandra Haase: Dies ist heutzutage noch nicht möglich. Hier muss man sich auf die Zertifikate der Lieferanten verlassen. Hier steht die Forschung noch am Anfang, dies mit 100%iger Sicherheit festzustellen. Noch schwieriger wird es bei Fasern, die chemisch recycelt wurden. Wir arbeiten als Akkreditierte Prüfstelle mit der Forschung und Entwicklung des TITV Greiz zusammen, um solche Prüfverfahren zu entwickeln.
Verhalten sich recycelte Textilien auch bei weiteren Prüfungen anders als herkömmliche Textilien?
Sandra Haase: Dies ist durchaus möglich. Eine allgemeine Aussage ist hier jedoch sehr schwierig. Farbechtheiten wie Lichtechtheit oder Waschechtheit zum Beispiel könnten etwas schlechter ausfallen. Je nach Eigenschaften der textilen Fläche, etwa die Oberflächenrauigkeit zum Beispiel, kann auch der UV-Schutz-Faktor sinken. Hier fehlen einfach noch das Wissen und der direkte Vergleich.
Mit der wachsenden Bedeutung von recycelten Fasern nimmt auch die Relevanz solcher Prüfverfahren zu. Hier ist unsere räumliche Nähe zur Forschung und Entwicklung des TITV Greiz ein großer Vorteil, sodass wir gemeinsam daran arbeiten können, neue Prüfverfahren zu entwickeln.